Neue Versorgung Ausgabe Juli 2016 - page 16

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Aus den Verträgen
Wieso brauchen Patienten Begleitung?
Ist das etwa ein Schritt zurück zum un-
mündigen Patienten, der an die Hand
genommen werden muss? Nein, denn
hier geht es in Wirklichkeit um eine
Optimierung der Versorgung.
Sabine Vöhringer ist eine aktive, starke
und engagierte Frau. Sie ist da, wenn an-
dere Menschen Hilfe brauchen. So war
es auch, als ihre Eltern und Schwieger-
eltern nicht mehr alleine zurechtkamen.
Menschlich vorbildlich und unbedingt
sympathisch, aber diese Einstellung hat-
te für sie auch schmerzhafte Konsequen-
zen. Neben Rückenschmerzen befürch-
tete sie, die Grenzen ihrer Belastbarkeit
zu erreichen.
„Zufällig“ kam sie mit einer Patienten-
begleiterin ins Gespräch, als sie eigent-
lich nur eine Beratung zur Pflegever-
sicherung brauchte. Sie machte einen
Termin aus, thematisierte im Rahmen
einer Präventionsberatung zur Ab-
wechslung mal ihre eigenen Probleme
und beschloss tatsächlich, in Zukunft
besser für sich zu sorgen. Konkrete Re-
sultate waren ein Trainingsprogramm
gegen Rückenschmerzen und – Monate
später – ein Kurs „Progressive Muskel-
entspannung nach Jacobson“. Wobei
nicht die Kurse selbst die Besonderheit
sind; solche Kurse werden auch von
anderen Krankenversicherungen bezu-
schusst. Ungewöhnlich ist, dass bei der
Bosch BKK nicht abgewartet wird, bis
Versicherte von sich aus nach Angebo-
ten zur Prävention fragen.
Auf Menschen zugehen, fragen, infor-
mieren, motivieren – das gehört zu den
Kernkompetenzen von Christine Mül-
ler. Seit 2006 ist die Sozialpädagogin
Patientenbegleiterin bei der Bosch BKK.
Ihre Arbeit funktioniert wegen der Ein-
bettung in die regionalen Netzwerke
You’ll never walk alone ...
Patientenbegleitung der Bosch BKK
Ruth Auschra
vor Ort. Die Patientenbegleiterin kennt
Haus- und Fachärzte, Physio- und Psy-
chotherapeuten, den werksärztlichen
Dienst bei Bosch, den Sozialdienst im
Krankenhaus und das Orthopädiefach-
geschäft um die Ecke.
Als eine Konkurrenz zum Arzt sieht
sie sich nicht. „Wir können und wollen
nicht medizinisch tätig sein“, stellt sie
klar. Natürlich ist es der Arzt, der eine
folgenschwere Diagnose vermittelt, wer
sonst? Aber danach, bei der Planung der
nächsten Schritte, kann sie den Arzt un-
terstützen und entlasten. Oder präven-
tiv tätig werden. Immer vorausgesetzt
natürlich, dass Arzt und Patient dies
überhaupt wünschen.
Probleme rund um die häusliche Pflege
von Angehörigen sind ein ganz großes
Thema für Christine Müller. Sie weiß,
dass die ganze Familie geschockt ist,
wenn ein Angehöriger unerwartet einen
Schlaganfall erleidet oder eine Krebsdia-
gnose erhält. Eine schlechte Grundlage,
um mit kühlem Kopf die notwendigen
Entscheidungen zu treffen! Informations-
defizite kommen in der Regel hinzu.
„Ich höre immer wieder: ‚das hat mir
niemand gesagt’“, berichtet die Patien-
tenbegleiterin. Wissenslücken führen
aber dazu, dass nicht alle Möglichkeiten
ausgeschöpft werden. Also informiert
sie zum Beispiel über die Pflegeversiche-
rung, über Prävention oder über Ren-
tenfragen. „Manchmal komme ich mir
regelrecht wie eine Dolmetscherin vor“,
erklärt sie. Komplizierte Hinweise von
Ärzten kann sie ebenso „übersetzen“
wie sozialrechtliche Entscheidungen. Sie
sieht sich dabei als Anwältin der Pati-
enten. „Obwohl meine Arbeit natürlich
auch die Tätigkeit der Ärzte und die In-
teressen der Krankenkasse unterstützt“,
fasst sie zusammen.
Arzt und Motivator
Dr. med. Uwe Ochs arbeitet gerne mit
den Patientenbegleitern der Bosch BKK
zusammen. Der Pfullinger Facharzt für
Orthopädie, Unfallchirurgie und Chi-
rurgie lobt die vertraglich vereinbarten
strukturierten und interdisziplinär ver-
netzten Handlungsabläufe. Um Patien-
ten wie Sabine Vöhringer den Rücken
zu stärken, ist nun mal nicht nur ein
Fitnessstudio nötig. Im Idealfall ziehen
Hausarzt, Facharzt, Therapeuten oder
Sportlehrer und Patientenbegleiter an
Typische Themen
Leben Kinder im Haushalt, die während eines stationären
Aufenthaltes versorgt werden müssen?
Ist eher eine ambulante oder stationäre Rehabilitation sinnvoll?
Verursacht die Arbeitsunfähigkeit finanzielle Probleme?
Gibt es berufliche Probleme, die zusätzliche Sorgen bereiten?
Kann eine psychotherapeutische Unterstützung bei der
Krankheitsbewältigung helfen?
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