Neue Versorgung Ausgabe Juli 2016 - page 15

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Aus den Verträgen
geht darum, den Patienten dafür zu ge-
winnen, dass er selber mitarbeiten muss:
Hat der Patient beispielsweise Schmer-
zen im Kniegelenk, muss er wissen, wie
das Kniegelenk funktioniert und wie
Bewegung da hilft.“
Qualitätszirkel vermitteln
neuesten Wissensstand
In den Qualitätszirkeln werden die Ärz-
te geschult, wie sie ein solches Gespräch
erfolgreich führen können: „Gegenstand
der Qualitätszirkel ist der gemeinsame
Erfahrungsaustausch und die Vermitt-
lung von Techniken der biopsycho-
sozialen Gesprächsführung zwischen
Arzt und Patient – in der verbalen wie
der nonverbalen Kommunikation“, so
Dr. Lembeck, der auch Moderator ei-
nes Qualitätszirkels ist. „So spielen wir
Beispiele durch, wie ein Arzt auf eine
Patientenäußerung reagiert und welche
Wirkungen das beim Gesprächspartner
hervorruft.“ Ein erfolgreiches Gespräch,
das den Patienten zu einer tatsächlichen
Verhaltensänderung motiviert, setze vo-
raus, dass der Arzt gut zuhört und das,
was der Patient ihm sagt, analysieren
und deuten kann. In Rollenspielen wer-
den daher Gesprächssituationen simu-
liert und geübt, wie man auf jemanden
eingehen kann und wie mit Widerstand
umzugehen ist.
„Das gute Arztgespräch hat Einfluss auf
die Behandlungsqualität insgesamt“,
betont Dipl.-Pol. Ekkehard Ruebsam-Si-
mon, stellvertretender Vorsitzender von
MEDI Baden-Württemberg. „Gerade in
der Behandlung von Schmerzen brin-
gen Medikamente zwar eine kurzfristige
Linderung, in vielen Fällen aber keine
nachhaltige Verbesserung, weil sie nicht
an den Ursachen der Schmerzen an-
setzen.“ Der Arzt solle daher nicht nur
Medikamente verordnen, sondern den
Patienten richtig beraten. „Im Facharzt-
vertrag stellen wir das Element der Be-
ratung in den Fokus. Es geht nicht nur
um Medikamente und Kosten, sondern
um die Beziehung zwischen Arzt und
Patient im eigentlichen Sinne. Damit be-
treten wir Neuland: Nicht nur Diagnose
und Rezeptbuch, sondern eine gelin-
gende Arzt-Patienten-Beziehung bildet
den zentralen Kern der Behandlung.“
Ein solches Vorgehen bedürfe allerdings
„eines langsameren Takts“, sprich, ein
solches Gespräch erfordere mehr Zeit,
so Ruebsam-Simon. „Diese Zeit hat der
Orthopäde im Facharztvertrag zur Ver-
fügung. Der Facharztvertrag bedeutet
die Abkehr vom ‚Schnell-Schnell‘.“
Individueller Versorgungsplan
Von den im Facharztprogramm ortho-
pädisch behandelten Versicherten geben
Der Facharzt übergibt mithilfe des grünen Rezepts eine
qualifizierte Diagnose, Empfehlungen aus der Liste der
Gesundheitsangebote und weitere Informationen, bei-
spielsweise wann und in welchem Umfang er Rückmel-
dungen zu den durchgeführten Maßnahmen wünscht.
Der Patient wiederum legt zur besseren Orientierung
die umfangreichen „Beratungsempfehlungen im Or-
thopädievertrag“ vor, die er nach dem Arzt-Patienten-
Gespräch erhalten hat.
Das Angebot im Bereich Rücken umfasst unter anderem
das AOK-Rücken-Konzept, Rückentrainingskurse, Func-
tional Fitness, Gymnastik, Nordic Walking, Gewichtsre-
duktion, Pilates, Yoga, Entspannungsübungen, Autoge-
nes Training, Krafttraining und Anti-Stress-Programme.
Zusammenspiel Orthopäde und AOK-Präventionsberater
ungefähr 50 Prozent „Rückenschmer-
zen“ als Grund für ihren Arztbesuch
an. Bei zirka 85 Prozent dieser Patienten
liegt die Ursache in einem ungünstigen
Lebensstil mit mangelnder Bewegung
und falscher Ernährung. Deshalb ist im
Orthopädievertrag auch die Erstellung
eines individuellen Versorgungsplans
ausdrücklich vorgesehen. Und der Arzt
kann die entsprechenden krankheits-
spezifischen Gesundheitsangebote di-
rekt verordnen (siehe Info-Kasten).
Hervorzuheben ist das AOK-Rücken-
Konzept, das wissenschaftlich validiert
ist und eine umfassende Auswahl an
therapiebegleitenden Maßnahmen be-
inhaltet. „Einen Präventionsberater der
AOK oder den Patientenbegleiter der
Bosch BKK einschalten zu können, ist
eine tolle Sache“, berichtet Dr. Lembeck.
„Als Arzt habe ich nicht die Übersicht,
welche Bewegungsangebote es jeweils
vor Ort gibt. Das Facharztprogramm
Orthopädie macht es möglich, dass sich
qualifizierte Ernährungs- und Sport-
fachkräfte darum kümmern. Sie be-
kommen von mir die Diagnose und eine
allgemeine Empfehlung. Entsprechend
suchen sie die individuell passenden An-
gebote heraus. Außerdem begleiten sie
die Patienten. So etwas können wir aus
der Praxis heraus gar nicht leisten.“
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