Neue Versorgung Ausgabe Juli 2016 - page 10

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Im Dialog
und praxisspezifischen Fragen zu den
Selektivverträgen spielen häufig auch
weitere Themen eine Rolle, etwa im Be-
reich von Fragen des allgemeinen Sozi-
alrechts. Dieses Angebot wird insgesamt
gerne angenommen und unterstützt die
erfolgreiche Umsetzung der AOK-Selek-
tivverträge in Baden-Württemberg.
Vorteile für Ärzte
Von einer korrekten Kodierung profi-
tieren die Praxen unmittelbar über die
höhere Vergütung. „Was an ärztlichen
Zusatzvergütungen in die Selektivver-
träge fließt, das richtet sich an Versor-
gungsschwerpunkten und Patienten-
problemen aus“, stellt Jürgen Graf klar.
Vor diesem Hintergrund sei es fair und
wichtig, deren Versorgungsaufwand
auch korrekt abzubilden, argumentiert
der AOK-Fachbereichsleiter.
„Wir schaffen An-
reize, damit
insbesondere für
sehr kranke
Patienten bessere
Versorgungs-
angebote umgesetzt werden.“
Jürgen Graf, Leiter Integriertes Leistungs-
management bei der AOK Baden-Württemberg
Aber auch langfristig zahlt sich die ex-
akte Diagnoseerfassung für die einzelne
Praxis aus. Für die ärztliche Kommuni-
kation ist sie unerlässlich, für eine ziel-
gerichtete Therapieeinleitung eine medi-
zinische Notwendigkeit. Deshalb setzen
die Selektivverträge auch Anreize, um
die Kodiergenauigkeit zu verbessern:
Auf der einen Seite sind in den Facharzt-
verträgen Versorgungsschwerpunkte mit
präzisen Diagnosen hinterlegt, die Ko-
morbiditäten erfassen und eine unspe-
zifische Kodierung unterbinden. Auf
der anderen Seite wird im Hausarztver-
trag das Schnittstellenmanagement via
73c-Strukturzuschlag auf die P1 (vier
Euro) abgebildet. Im Idealfall profitieren
so beide Seiten. Fachärzte erhalten eine
Vergütung für korrekte Kodierungen,
Hausärzte erhalten über die Kommuni-
kation mit den Fachärzten die korrekte
Kodierung via Arztbrief. Fakt ist aller-
dings, dass die Kommunikation, da sind
sich die Gesprächspartner von MEDI,
HÄVG und AOK einig, noch weiter ver-
bessert werden sollte. „Aber jeder ist in
seinem Bereich achtsamer unterwegs“,
resümiert Graf.
Die Gefahr des Upcoding sieht man
von Kassenseite nicht. Denn das Niveau
korrekter Kodierungen hat seine „natür-
lichen Grenzen in der konkreten Mor-
bidität der Versicherten und der ärztli-
chen Ethik, den Patienten nicht kränker
zu machen, als er ist“, so Graf. Eher sieht
er die Problematik der unterkomplexen
Kodierung. An diesem Punkt müsse
angesetzt werden, um die Versorgungs-
und Krankheitssituation der Versicher-
ten korrekt abzubilden.
Präzises Kodieren
schützt vor Regress
Korrekte Kodierungen könnten zu-
künftig auch bei einer neuen Form der
Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Rolle
spielen. Im GKV-Versorgungsstärkungs-
gesetz bestimmt der Gesetzgeber, dass
die derzeit in Paragraf 106 SGB V vor-
gegebene Richtgrößenprüfung im Arz-
nei- und Heilmittelbereich als bundes-
gesetzliche Vorgabe zum 1. Januar 2017
durch regionale Vereinbarungen ersetzt
werden kann. Künftig haben es damit
die Vertragspartner auf Regionalebene
in der Hand, die Prüfungsarten und -kri-
terien in Prüfvereinbarungen festzule-
gen und damit die Wirtschaftlichkeits-
prüfung so zu gestalten, dass regionale
Gegebenheiten berücksichtigt werden.
„Wir sprechen da aktuell mit KV und
Prüfungsausschuss auch unter dem
Stichwort indikationsbezogene Wirt-
schaftlichkeitsprüfung“, berichtet Graf.
„Damit würde ein anderer Ansatz grei-
fen“, ergänzt Hofmann, „nämlich dass
man sich nicht mehr an schieren Ver-
ordnungsmengen orientiert, sondern
das Verordnungsverhalten auf Basis be-
stimmter Diagnosen vergleicht.“
In der Konsequenz heißt das: Wer
komplexe Fälle betreut und dies über
die entsprechende ICD-Kodierung do-
kumentiert, kann für diese Patienten
nachvollziehbar begründen, warum er
bestimmte Arzneimittel verordnet hat.
„Dagegen würde dieser Zusammenhang
bei einer unterkomplexen Kodierung so
erstmal nicht ersichtlich“, erläutert Graf.
Bei einer solchermaßen neu gestalteten
Wirtschaftlichkeitsprüfung würde also
ein präzises Kodieren komplexer Diag-
nosen vor Regressen schützen.
Nein zu Betreuungs-
strukturverträgen
Der Morbi-RSA setzt – neben seiner In-
tention, keine Patientenselektion zu be-
treiben und Gelder dem Versorgungs-
aufwand entsprechend zu verteilen –
natürlich den Anreiz, möglichst präzise
Kodierungen zu befördern. Um dieses
Ziel zu erreichen, verfolgen die Kassen
unterschiedliche Ansätze. „Manche bie-
ten Geld für Kodierung und sonst nichts
an“, kritisiert HÄVG-Geschäftsführer
Weiß, „andere investieren Geld in eine
bessere Versorgung und vertreten den
Standpunkt ‚Eine bessere Kodierung ist
dann bitteschön inklusive‘.“ Das Fazit
der Vertragspartner lautet daher auch:
In den Haus- und Facharztverträgen
überzeugt eine bessere Versorgung, Geld
allein für eine bessere Kodierung ist als
Trumpf nicht vorgesehen.
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