Neue Versorgung Ausgabe Juli 2016 - page 13

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Aus den Verträgen
Andererseits erfährt sie von den Pati-
enten manchmal auch ungewöhnliche
Informationen, die sonst nicht in der
Praxis ankommen würden. Sie erinnert
sich zum Beispiel an einen Patienten, der
Angst hatte zu erblinden. „Einen medi-
zinischen Anlass für diese Sorge gab es
nicht“, berichtet sie und ergänzt: „Es war
sehr gut, dass ich das erfahren habe – die
Angst konnten wir ihm nehmen.“
Im Rahmen der Qualitätszirkel werden
auch Fragen des Praxismanagements
Dr. med. Tobias Freund, Facharzt für
Allgemeinmedizin der Abteilung Allge-
meinmedizin und Versorgungsforschung
des Universitätsklinikums Heidelberg
hat PraCMan mitentwickelt.
Von 2010 bis 2012 wurde im Rahmen
einer randomisiert kontrollierten Studie
mit insgesamt 2.076 Patienten in 115
Hausarztpraxen
in
ganz
Baden-
Württemberg das von der Universitäts-
klinik Heidelberg entwickelte Hausarzt-
praxis-basierte Case-Management eva-
luiert. Die Studie wurde im Auftrag
der AOK Baden-Württemberg und des
AOK-Bundesverbandes
durchgeführt
und im Februar 2016 im Annals of
Internal Medicine veröffentlicht.
Was sind für Sie die wichtigsten
Erkenntnisse aus den bisherigen Daten?
Am wichtigsten finde ich, dass sich die
körperliche wie psychische Lebensquali-
tät der Patienten signifikant verbesserte.
Das ist ein wichtiges und beeindrucken-
des Ergebnis, weil man bei multimor-
biden Patienten natürlich eher erwar-
ten würde, dass deren Lebensqualität
tendenziell sinkt. Erfreulich auch, dass
die Zahl der Krankenhausaufenthalte
durch COPD innerhalb der ersten zwölf
Monate signifikant um 73 Prozent sank.
In einer multivariaten Analyse – das
bedeutet, hier wurden mehrere statisti-
sche Variablen gemeinsam untersucht
– zeigte sich im ersten Interventions-
jahr außerdem eine signifikant gerin-
gere Sterblichkeit in der Case-Manage-
ment-Gruppe.
Verbesserte Lebensqualität:
was heißt das konkret?
Die Patienten haben zum Beispiel
weniger Verschlechterungen bezogen
auf Schmerzen, Bewegung oder Depres-
sivität.
Nachgefragt bei ...
rund um PraCMan diskutiert. Hier gibt
es in mancher Praxis noch Optimie-
rungsbedarf. Beispielsweise hat nicht
jede VERAH die nötige Ruhe und Zeit
zur optimalen Betreuung ihrer PraC-
Man-Patienten, weil während der Praxis-
sprechzeiten kein Ort zur Verfügung
steht, wohin man sich zurückziehen
kann.
Auch Christina Jacobs aus Schwetzingen
arbeitet als VERAH und berichtet, dass
die neuen Aufgaben im Rahmen des
Case-Managements inzwischen alltäg-
lich geworden sind – von den besonders
eindrücklichen Verläufen einmal abge-
sehen. Sie berichtet von einem Patienten,
der nach einem schweren Schlaganfall
depressiv geworden war. Ihm taten die
engmaschige Betreuung und die Rea-
lisierung einer Reha-Maßnahme sehr
gut. „Er läuft inzwischen besser und ist
auch fast aus der Depression draußen“,
beschreibt sie.
Das durch die spezielle Software „PraC-
Man-Cockpit“ strukturierte Monitoring
hilft dabei, mehr über die PraCMan-Teil-
nehmer zu erfahren. Das gilt sogar für
Patienten, die sowieso regelmäßig in die
Praxis kommen und eigentlich meinen,
dass sie nichts Neues zu berichten ha-
ben. Manchmal stellt sich dann während
des Telefonats doch heraus, dass kürz-
lich zum Beispiel ein Sturz passiert ist.
VERAH im AOK-Hausarztvertrag übernehmen seit 2014 auch das Case-Management bei
multimorbiden Patienten. Regelmäßiges Monitoring ermöglicht eine engmaschige Betreuung.
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