Neue Versorgung Ausgabe Dezember 2016 - page 7

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Miteinanders von Kollektiv- und Selek-
tivverträgen‘ zunehmend auch andern-
orts Gehör findet. Niemand müsse
sich Sorgen machen wegen dieser Wett-
bewerbssituation: „Das KV-System ist
und bleibt wichtig“, so Baumgärtner,
zumal Selektivverträge nur auf freiwilli-
ger Basis funktionieren und nach seiner
Einschätzung maximal 50 Prozent der
Patienten mitmachen werden.
AOK-Chef Hermann sieht auch Ansätze
einer wettbewerbsinduzierten Bewegung
imKV-System, beispielsweise in der vom
Gemeinsamen Bundesausschuss GBA
neu beschlossenen Psychotherapiericht-
linie: „Dort ist strukturell wie materiell
einiges aus unseren Verträgen über-
nommen worden. Veränderung durch
Bewegung von außen sozusagen“, so
Hermann.
Priorität hat elektronische
Vernetzung
Wie sehen die weiteren Zwischenziele
der Vertragspartner aus? Für Baumgärt-
ner hat die IT-Vernetzung eine klare Pri-
orität. Auch hier sieht er die Selektivver-
träge im Südwesten in der Vorreiterrolle:
„Wir müssen es schaffen, dass wir, völ-
lig unabhängig vom jeweiligen IT-Pro-
gramm der einzelnen Praxis, effizienter
miteinander kommunizieren können.
Ich bin zuversichtlich, dass wir hier in
den nächsten zwei Jahren innovative
Lösungen finden und implementieren
werden.“ Dazu zählen Basisanwen-
dungen wie das Termin- und Arznei-
mittelmanagement oder die Befund-
übermittlung, aber auch die ganze Palet-
te telemedizinischer Anwendungen, die
weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Das neue E-Health-Gesetz schreibt vor,
dass für diese Vernetzung eine Daten-
autobahn geschaffen wird, die von al-
len genutzt wird. Doch leider verschiebt
sich der Bau dieser Autobahn von Jahr
zu Jahr. Deshalb wollen die Vertrags-
partner in Zukunft autark auf die be-
reits in der elektronischen Abrechnung
bewährte Technologie setzen. Auf dieser
Grundlage soll eine IT-Infrastruktur
entstehen, die sicher und stabil läuft
und gleichzeitig so flexibel ist, dass sie
künftig an etwaige „gematik-Struktu-
ren“ angepasst werden kann.
Echte Nachwuchssorgen
Sorgen bereitet Dietsche der hausärztli-
che Nachwuchs – insbesondere in länd-
lichen Regionen: „Der HZV-Vertrag ist
zwar entscheidend wichtig, weil er die
Attraktivität der Praxen deutlich ver-
bessert.“ Dennoch seien hier vermehrt
gemeinsame Anstrengungen nötig, um
das vielschichtige Nachwuchs-Problem
zu lösen und die zukünftige Versorgung
sicherzustellen: „So versuchen wir etwa
mit unserer Initiative ,Perspektive Haus-
arzt BW‘ abzugebende Praxen frühzeitig
mit potenziellen Übernehmern zusam-
men- zubringen und kooperieren dabei
eng mit Gemeinden und Landkreisen“,
so Dietsche.
Wettbewerbsspielräume
im Klinikbereich nutzen
Ein weiteres dickes Brett wollen die Ver-
tragspartner ab 2017 (an-)bohren: die
Verknüpfung mit ausgewählten Klini-
ken, die sich zu bestimmten Qualitäts-
standards verpflichten, die sie selbst
auch für sinnvoll und gut halten. Das
Ziel ist es, so AOK-Chef Hermann, am
Ende exklusive Klinik-Partner zu haben
und die sektorenübergreifende Versor-
gungskette durch indikationsbezogene
Selektivverträge fest zu schließen. „Wir
sehen hier großes Potenzial, um die Pa-
tientensicherheit und Behandlungsqua-
lität zu verbessern und gleichzeitig die
Effizienz zu erhöhen“, betont er.
Eine weitere Herausforderung in Sachen
Qualitätsverbesserung im Zusammen-
spiel ambulanter und stationärer Ver-
sorgung ist das Einweisungs- und Ent-
lass-Management. Mangelnde Kommu-
nikation zwischen den Beteiligten ist
bislang ein großes Problem. Künftig sol-
len auch in diesem Bereich integrierte
Verträge und vernetzte IT-Strukturen
zu einer besseren Zusammenarbeit zwi-
schen ambulantem und stationärem Be-
reich beitragen.
Leitartikel
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