Neue Versorgung Ausgabe Dezember 2016 - page 14

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Vorstandsvorsitzender der AOK Ba-
den-Württemberg, die Neuausrichtung
zusammen, „auch wenn die apparative
Medizin in Diagnostik und Therapie
weiterhin ihren festen Platz hat.“
Wichtig ist die gemeinsame
Entscheidungsfindung
Exemplarisch für einen hohen Bera-
tungsbedarf und die Notwendigkeit ge-
meinsamer Entscheidungsfindung ist
die Therapie von Prostatakrebs – mit
jährlich rund 70.000 Neuerkrankun-
gen (Quelle: RKI) die häufigste Krebs-
erkrankung des Mannes. Die Therapie
erfordere ein differenziertes Vorgehen,
weil die Tumore sich in ihrer Aggressi-
vität unterscheiden, erklärt Dr. Robert
Rudolph, Vorsitzender der AGNU. „Pa-
tienten mit als „low risk“ eingestuften
Tumoren haben eine sehr gute Progno-
se, so dass eine Operation oft nicht not-
wendig ist.“ Zudem berge eine OP das
Risiko möglicher Nebenwirkungen wie
Impotenz oder Inkontinenz.
Nach den Leitlinien sei es auch mög-
lich, diese Patienten mit Kontrollunter-
suchungen regelmäßig zu überwachen,
statt sie zu operieren. „Für diese eng-
Aus den Verträgen
Am 1. Oktober war Versorgungsstart
des Facharztvertrages Urologie. Mehr
als 200 niedergelassene Ärzte nehmen
bereits daran teil. Davon profitieren
können rund 530.000 Versicherte im
FacharztProgramm von AOK Baden-
Württemberg und Bosch BKK.
Mehr Zeit für Information, mehr Zeit
für Beratung, mehr Zeit für eine gemein-
same Entscheidungsfindung: Hier setzt
der nunmehr fünfte Facharztvertrag in
Baden-Württemberg im Fachgebiet Uro-
logie systematisch an. Partner der Kran-
kenkassen sind MEDI Baden-Würt-
temberg, die MEDIVERBUND AG, der
Berufsverband der Deutschen Urologen
(BDU) und die Arbeitsgemeinschaft der
niedergelassenen Urologen (AGNU).
Paradigmenwechsel
in der Versorgung
Ausführliche Arzt-Patienten-Gespräche
schaffen Vertrauen und stärken die Pa-
tientenorientierung. Doch bislang fehlt
dafür im Praxisalltag die Zeit. Urolo-
gen, die an dem Vertrag teilnehmen,
sollen sich nunmehr diese Zeit nehmen
können. Zum einen geht es darum, den
Patienten notwendiges Wissen über die
oftmals sehr sensiblen urologischen
Erkrankungen zu vermitteln, Behand-
lungsmöglichkeiten verständlich und
ergebnisoffen zu erläutern und sie mit
einem ganzheitlichen Blick zu beraten.
Zum anderen sollen die Patienten auf
diese Art und Weise in die Lage versetzt
werden, selbst aktiv an ihrer Therapie
mitzuwirken sowie Wünsche und Er-
wartungen an ihre Behandlung deut-
licher formulieren zu können.
„Der Vertrag räumt Gespräch und
partnerschaftlicher Entscheidungsfin-
dung einen zentralen Stellenwert ein“,
fasst
Dr.
Christopher
Hermann,
Urologen haben endlich mehr Zeit
für ihre Patienten
Dr. Sabine Glöser
maschige Betreuung und Beratung des
Patienten“, hebt Rudolph hervor, „muss
der Arzt allerdings viel Zeit aufwenden,
die jetzt im Urologie-Vertrag anders als
im EBM adäquat honoriert wird.“
Qualitätsverbesserungen
auch weiter im Visier
Ist dennoch eine Operation notwendig,
wird den Patienten mit Prostatakrebs
empfohlen, sich in einem zertifizierten
Zentrum behandeln zu lassen, das pro
Jahr 50 Operationen durchführt. Diese
der Patientensicherheit und Qualitäts-
verbesserung dienende Regelung ent-
spricht der Leitlinienempfehlung der
Deutschen Gesellschaft für Urologie,
die damit einem negativen Versorgungs-
trend begegnen will: Laut einer aktuell
veröffentlichten Studie der Universität
Dresden hat sich nämlich der Anteil
der Männer, die in nicht zertifizierten
Kliniken operiert werden, von 2006 bis
2013 von 16 auf 28 Prozent erhöht.
Grundsätzlich versorgen die Urologen
ihre Patienten auf der Grundlage evi-
denzbasierter, praxiserprobter Empfeh-
lungen, auf die sich die Vertragspartner
geeinigt haben. Die Ärzte sind verpflich-
tet, pro Jahr mindestens zwei Fortbil-
dungen mit insgesamt mindestens acht
CME-Punkten zur Diagnostik und
Behandlung der Krankheitsbilder des
Vertrages zu absolvieren. Obligatorisch
ist zudem die Teilnahme an zwei struk-
turierten Qualitätszirkeln zur Pharma-
kotherapie pro Jahr.
Vergütung orientiert sich
am Beratungsbedarf
Um die Urologen leistungsgerecht zu
honorieren, haben die Vertragspartner
eine spezielle Systematik erarbeitet. Sie
bildet den jeweiligen Zeitaufwand der
Ärzte in fünf Vergütungsgruppen ab.
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20
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