Neue Versorgung Ausgabe Dezember 2016 - page 11

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Aus den Verträgen
Die Anzahl der Patienten mit einer
PosttraumatischenBelastungsstörung
(PTBS) steigt seit Jahrenkontinuierlich
an. Seit 1. Oktober können diese Pati-
enten im PNP-Vertrag noch besser
versorgt werden.
Für alle Versicherten der AOK Baden-
Württemberg und der Bosch BKK, die
im FacharztProgramm eingeschrieben
sind, gilt generell: keine langen Warte-
zeiten auf einen Behandlungstermin
beim Psychotherapeuten und kein auf-
wendiges Antrags- und Gutachterver-
fahren zur Klärung der Kostenüber-
nahme. Die bedarfsgerechte Versorgung
wird auch bei psychischen Erkrankun-
gen durch die enge Zusammenarbeit von
Hausarzt und Facharzt sichergestellt.
Handelt es sich um besonders schwer
traumatisierte Patienten, bei denen zu-
dem auch eine ausgeprägte Komorbidi-
tät wie eine Borderline-Persönlichkeits-
störung oder eine dissoziative Störung
vorliegt, ist nicht nur eine rasche Inter-
vention notwendig, sondern vor allem
auch eine sehr intensive und zeitauf-
wendige psychotherapeutische Behand-
lung. Dafür stehen im PNP-Vertrag jetzt
insgesamt 210 Therapiestunden zur Ver-
fügung – ohne dass eine Genehmigung
der Kassen erforderlich wird. Therapeu-
ten können ihre Sitzungen „hoch-
frequent“ abrechnen. Das bedeutet,
sie haben die Möglichkeit, betroffene
Patienten auch mehrmals pro Woche zu
therapieren,wennsiedies für erforderlich
halten, beispielsweise um einer Re-Trau-
matisierung entgegenzuwirken. Zusätz-
lich können die behandelnden Ärzte und
Psychotherapeuten die „hochfrequente
Behandlung“ in besonders schweren
Fällen um jeweils weitere 30 Stunden
verlängern. Dazu müssen sie lediglich
einen kurzen Antrag ausfüllen.
In der Regelversorgung ist nach
80 oder 100 Stunden Schluss
Zum Vergleich: In der Regelversorgung
sind die Therapien zeitlich begrenzt.
„Für die Verhaltenstherapie ist nach 80
Stunden Schluss, bei der tiefenpsycho-
logisch fundierten Therapie nach 100
Stunden, obwohl der Erfolg noch nicht
gesichert ist“, erläutert Dr. Alessandro
Cavicchioli, Landesvorsitzender der
Deutschen Psychotherapeutenvereini-
gung. Er weist zudem darauf hin, dass
die Ärzte in der Regelversorgung für die
besonders schweren Fälle ein mehrseiti-
ges Gutachten für die Krankenkasse er-
stellen müssten, um sich eine längere Be-
handlungsdauer genehmigen zu lassen.
Ziel der Therapie ist es, dass Betroffene
bewusst mit der traumatischen Erinne-
rung umzugehen lernen und die Kont-
rolle über ihr Gefühlsleben wiedererlan-
gen. Gut wirksam seien verhaltens- und
hypnotherapeutische Kurztherapien, so
Cavicchioli. Die eigentliche Trauma-
therapie sei bei wenigen schwer trau-
matisierten Patienten sinnvoll und not-
wendig, wenn sie zugleich unter einer
Persönlichkeitsstörung oder dissozia-
tiven Störung leiden. „Diese Patienten
bekommen genau die psychotherapeu-
tische Behandlung, die für ihre Diagno-
se und für die Schwere der Erkrankung
richtig und angemessen ist.“
Diagnosesteuerung erfolgt
evidenzbasiert
Anders als in der Regelversorgung ori-
entiere sich die psychotherapeutische
Behandlung im PNP-Vertrag an einer
„evidenzbasierten Diagnosesteuerung“,
ergänzt Dipl.-Psych. Rolf Wa­chendorf,
Sprecher der Freien Liste der Psycho-
therapeuten und Vertrags­verhandler
für MEDI Baden-Württemberg. „Bei
schwer traumatisierten Patienten, zum
Beispiel mit einer langjährigen Miss-
brauchserfahrung, gehen wir jetzt über
die im PNP-Vertrag ohnehin schon
guten Behandlungsmöglichkeiten noch
hinaus.“
Bessere Versorgung
schwer traumatisierter Patienten
Dr. Sabine Glöser
Die
Posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS) ist eine Reaktion
auf ein oder mehrere traumatische Ereignisse. Dazu zählen zum Bei-
spiel das Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, Vergewalti-
gung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme,
Terroranschlag, Krieg, Folter, Natur- oder durch Menschen verursachte
Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krank-
heit. Oft entwickeln die Betroffenen ein Gefühl von Hilflosigkeit, ihr Selbst-
und Weltverständnis ist erschüttert.
Die Zahl der AOK-Versicherten, die
wegen einer PTBS in ambulanter oder
stationärerBehandlungwaren,hatsich
von 8.941 im Jahr 2011 auf 14.740 im
Jahr 2015 deutlich erhöht.
Betroffen sind alle Altersklassen, Frau-
en mehr als doppelt sooft wie Männer.
14.740
2015
PTBS: Die Zahl betroffener
Patienten steigt
8.941
2011
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20
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