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Aus den Verträgen
L itartikel
messenheit, Sicherheit und damit der
Wirtschaftlichkeit kommt den Ärzten
dabei eine sehr hohe Verantwortung zu.
„Die Therapiefreiheit als wichtiges
Prinzip der Arzneimittelversorgung
gilt weiterhin – in der Regelversorgung
genauso wie im Selektivvertrag“, betont
Dr. med. Werner Baumgärtner, Vor-
standsvorsitzender von MEDI Baden-
Württemberg, in diesem Zusammen-
hang. Und fügt hinzu: „Ärzte müssen
erkennen, bei welcher Diagnose neue –
oft auch teurere – Medikamente patien-
tenindividuell einen Zusatznutzen ha-
ben und wann eine Verordnung einer
wirtschaftlicheren Alternative genauso
zielführend ist.“
In den Haus- und Facharztverträgen in
Baden-Württemberg stellt die evidenz-
basierte rationale Pharmakotherapie
eine zentrale Säule dar. Die implemen-
tierten Strukturen unterstützen die
Ärzte bei der Gratwanderung zwischen
medizinischem Fortschritt und wirt-
schaftlicher Verordnung auf verschie-
denen Ebenen:
Die Vergütungsstrukturen fördern
die „sprechende Medizin“. Ärzte haben
mehr Zeit, die Patienten bei der Verord-
nung von Arzneimitteln ausführlich zu
beraten oder ihnen zu erklären, weshalb
ein spezielles Medikament unnötig ist.
Ein Expertengremium der Vertrags-
partner spricht auf Grundlage medizi-
nischerundökonomischerKriterienund
unter Einbeziehung systematischer Be-
wertungsverfahren Empfehlungen aus.
Das Ergebnis ist eine für Hausärzte und
Fachärzte einheitliche Medikationsliste,
die laufend aktualisiert wird.
Die Liste wird in der Vertragssoft-
ware hinterlegt und den Teilnehmern
in einem übersichtlichen Ampelsystem
angezeigt. Rot sind dabei Arzneimittel,
die in der Regel durch wirtschaftliche
Alternativen unter Beachtung medi-
zinischer Ausschlusskriterien ersetzt
werden können. Grün sind patentfreie,
generische Arzneimittel, für die Ra-
battverträge abgeschlossen wurden.
Zusätzlich gibt es Anreize, damit die
vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele in
Form von Arzneimittelquoten erreicht
werden.
Spezifische Beratungs- und Informa-
tionsangebote fördern die Transparenz
sowie den indizierten und zielgerichte-
ten Einsatz innovativer Arzneimittel.
In der HZV wurden über 350 Phar-
makotherapie-Qualitätszirkel etabliert,
die eine qualifizierte und unabhängige
Fortbildung gewährleisten. Eine regel-
mäßige Teilnahme ist verpflichtend.
Dass eine Verbesserung der Versor-
gung im Einklang mit Einsparungen
bei Arzneimitteln Früchte trägt, haben
wissenschaftliche Untersuchungen zum
AOK-Hausarztvertrag belegt: Die Aus-
gaben der HZV-Versicherten sind pro
Jahr und Patient um mehr als 100
Euro geringer als in der risikoadjus-
tierten Kontrollgruppe aus der Regel-
versorgung.
Ein Grund dafür ist, dass deutlich
weniger Me-Too-Präparate verordnet
werden oder durch gleichwertige, aber
preisgünstigere Präparate ersetzt wer-
den. Die Versorgung ist zudem zielge-
richteter: Für ältere HZV-Versicherte
(ab 65 Jahren) werden zum Beispiel we-
niger Neuroleptika außerhalb der zuge-
lassenen Indikationen verschrieben.
Ergebnisse, die nur durch die Spezifika
der Selektivverträge möglich sind, wie
Dr. med. Berthold Dietsche, Vorsitzen-
der des Hausärzteverbands Baden-
Württemberg bestätigt: „Vertragssoft-
ware und regelmäßige pharmaunab-
hängige Fortbildung sind wichtige Er-
rungenschaften der Selektivverträge,
die in dieser Form nicht auf die Regel-
versorgung übertragbar sind.“
Dr. med. Werner Baumgärtner, Vorstands-
vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg
„Die Therapiefreiheit
bleibt erhalten.“
Dr. med. Berthold Dietsche, Vorsitzender des
Hausärzteverbands Baden-Württemberg
„Pharmaunabhängige
Fortbildung ist wichtig.“